Victoria Elisabeth Kaunzner

Violin soloist-composer-artistic director
Processed with Lensa with Auto Adjustments & NY1 filter

Photo: Ilya Shirshov

„In ihrer Musik erschafft sie eine ganz eigene Klangwelt, die durch reife, ästhetische Unabhängigkeit beeindruckt.“

Krzysztof Meyer

Wie lässt sich der Dialog zwischen Kulturen musikalisch gestalten? Wie können wir die immer noch bestehende Unterrepräsentation von Komponistinnen im Klassik-betrieb überwinden? Und welche Rolle spielt Musik in einer Zeit der ökologischen Krisen? Mit ihrer aktuellen CD-Produktion „Saiga Antelope“ zeigt die Violinsolistin, Komponistin und Stradivari-Artist Viktoria Elisabeth Kaunzner ihre künstlerische Auseinandersetzung mit den drängenden Themen unserer Gegenwart und Zukunft. Drei ihrer Kompositionen treffen hier auf drei Werke zeitgenössischer Komponistinnen aus drei Kontinenten. Der gemeinsame Nenner ist eine sinnlich funkelnde, oft hochvirtuose Musik.

Zum Titel dieses Albums: Er verweist auf die vom Aussterben bedrohte Saiga-Antilope, eines der faszinierendsten Geschöpfe der zentralasiatischen Steppen. Als Viktoria Elisabeth Kaunzner 2019 vom dramatischen Massensterben dieser Spezies erfuhr, bei dem innerhalb weniger Tage mehr als 200.000 Tiere verendeten, wurde ein kreativer Impuls daraus, der schließlich zum aktuellen Album führte. Zusammen mit ihrem 30-köpfigen Orchester UKOREVV entstand ein Statement für weibliche Kompositionskunst und kulturelle Verschmelzung, ebenso wie das Titelstück „Saiga Antelope“, das Engagement für bedrohte Arten widerspiegelt. Entstanden ist dieses bewegende Werk für Violine und Orchester im Jahr 2021 als Auftragskomposition für die Berliner Pyramidale. Mal grazil schwebend, dann wieder in kraftvollen Sprüngen, widerspiegelt die Musik die elegante Bewegungssprache dieser einzigartigen Kreatur, der das Stück gewidmet ist. Die Musik kann durch einen Dokumentarstummfilm zur Saiga Antilope begleitet werden, wodurch ein cineastischer Raum entsteht.

Zur leidenschaftlich gepflegten Praxis Viktoria Elisabeth Kaunzners gehört die charakteristische Verbindung östlicher und westlicher Musikkulturen – davon zeugt ihre Komposition „Silk Road“ aus dem Jahr 2017. Die drei Sätze lassen Edelsteine musikalisch funkeln – Smaragd, Rubin und Andalusit –, wobei die brillanten Klangfarben von Violine, Klavier und Orchester ein schillerndes Kaleidoskop erzeugen. Tanzmuster aus der koreanischen Musik, feurige Flamenco-Einflüsse und Reminiszenzen an Csárdás-Rhythmen ergänzen sich hypnotisch. Auch diverse traditionelle asiatische Instrumente wie Gayageum, Oud und Sheng verschmelzen mit westlicher Musiktradition zu einem rauschhaften Panorama, bei dem immer die virtuos gespielte Solovioline von Viktoria Elisabeth Kaunzner im Mittelpunkt steht.

Auch Violeta Dinescus Violinkonzert „Roman Fleuve“ (2017) pflegt eine besondere Verbindung zum spezifischen ausdrucksstarken Potenzial von Viktoria Elisabeth Kaunzner. Die in Rumänien geborene und seit 1982 in Deutschland lebende Komponistin entwickelte die von Marcel Prousts Erzählkunst inspirierte Auftragskomposition für Solovioline und Streichorchester zum klingenden Porträt der Solistin. Kreative Freiräume, die den Rahmen des konventionellen Musikbetriebes weit hinter sich lassen, sind auch hier wesensimmanent: Bei den Konzerten 2022 wurde die kalligraphische Notation für das Publikum auf Leinwand projiziert, während die Interpreten die Freiräume für choreografische Aktionen und theatralische Elemente nutzten.

Elena Kats-Chernins Auftragswerk „Times of Rain and Sun“ (2022) entstand als musikalische Brücke zu Kaunzners siebenjähriger koreanischer Wirkungszeit. Das von Natureindrücken inspirierte Werk für Violine, koreanische Gayageum und Orchester besticht durch seine minimalistische Tonsprache und spannende rhythmische Strukturen. In der intimen Kadenz entfaltet sich ein poetischer Dialog zwischen westlichen und östlichen Instrumenten. Inspiriert von Naturereignissen in ihrer Wahlheimat Sydney – verheerenden Buschfeuern und Überschwemmungen – verwandelt das Werk Regentropfen und Sonnenstrahlen in poetische Klangbilder. Überhaupt hat die Begegnung mit der traditionellen koreanischen Musikszene Viktoria Elisabeth Kaunzners Ohren für neue klangliche Dimensionen ganz weit geöffnet, wie sie selbst sagt: „Die traditionelle koreanische Musik lebt von unglaublich schönen Melodien mit feinsten Nuancen und komplexen, packenden Rhythmen“. Die poetische Leidenschaft des Tango Nuevo mit klassischer Formgebung vereint das „Concierto para violín y orquesta de cuerdas“ der argentinisch-spanischen Komponistin Claudia Montero. Die vierfache, leider viel zu früh verstorbene Latin-Grammy-Preisträgerin schöpfte in diesem dreisätzigen Werk aus der reichen musikalischen Tradition ihrer Heimat. In der variantenreichen dynamischen Beziehung zwischen Solovioline und Streichorchester spiegelt sich die tänzerische Natur des Tangos, wenn sich die Stimmen wie Tanzpartner umkreisen, vereinen und wieder lösen.

In der technischen Umsetzung des Albums, verantwortet von den Tonmeistern Michael Havenstein und Natalia Ervits, spiegelt sich dieselbe Sorgfalt und Tiefe wie in seiner künstlerischen Gestaltung. Aufgenommen wurde im historischen Reitstadel Neumarkt und in der Berliner Philharmonie.

Viktoria Elisabeth Kaunzner & UKOREVV:

Universal Korean Organic Ensemble – Viktoria & Virtuosi e.V. Berlin

Geboren im bayerischen Deggendorf, erhielt Viktoria Elisabeth Kaunzner im Alter von vier Jahren ihr erstes Instrument. Bereits in ihrer Jugend wurde sie entscheidend geprägt durch eine Begegnung mit Yehudi Menuhin. Später fand sie in Antonio Vivaldi eine zentrale Inspirationsquelle. Besonders faszinierte sie dessen Rolle als Violinvirtuose und Lehrer am Ospedale della Pietà in Venedig, wo er Waisenmädchen zu Musikerinnen ausbildete und mit ihnen Konzerte von großer Strahlkraft gestaltete. Dieses Vorbild prägte ihre eigene Vision einer offenen, inklusiven Musikkultur, die Grenzen überwindet und Menschen verbindet.

Ihre Ausbildung führte sie zu bedeutenden Mentoren wie Ivry Gitlis sowie zu Studien an der HfMT Köln in die Meisterklasse zu Zakhar Bron, die HfM ‚Hanns Eisler‘ Berlin, das CNSMD Paris, das Mozarteum (Salvatore Sciarrino) oder die Darmstädter Ferienkurse. Mit nur 28 Jahren wurde sie als jüngste Violinprofessorin an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar für deren Dependance an die südkoreanische Kangnam University ausgewählt, wo sie sieben intensive Jahre verbrachte. Aus diesem kulturellen Austausch zwischen Europa und Asien erwuchs die Idee zur Gründung des Universal Korean Organic Ensemble – Viktoria & Virtuosi (UKOREVV) im Jahr 2019. Die etwa 35 jungen Virtuosinnen und Virtuosen aus 15 Nationen vereinen westliche und ostasiatisch-orientalische Aspekte und agieren dabei in einer extrem flexiblen Besetzung – vom Streicherklang über Bläser und Tasteninstrumente bis zur Integration traditioneller ostasiatischer Instrumente. Im Jahr 2022 wurde UKOREVV für seine herausragenden künstle-rischen Leistungen mit einer Opus Klassik-Nominierung geehrt. Dank der großzügigen Förderung durch den Deutschen Musikrat sowie der Unterstützung aus Korea, dem Freistaat Bayern und zahlreichen Stiftungen konnte die Konzerttournee EurAsian Flow in einigen der renom-miertesten Konzertsäle Europas realisiert werden – darunter die Berliner Philharmonie, die Laeiszhalle Hamburg, der Kulturpalast Dresden und der Herkulessaal München. Im Rahmen dieses Projekts entstand auch das aktuelle CD-Album Saiga Antelope, das die künstlerische Vision von UKOREVV eindrucksvoll dokumentiert. Das Programm wurde bereits mit großem Erfolg in New York City, Sydney, Seoul, Valencia und Zürich präsentiert und unterstreicht die internationale Strahlkraft des Ensembles.

www.viktoriakaunzner.com